EIN KLEINER SCHLÜSSEL, EINE SCHMALE KAMMER UND EIN VERBOT
- blummeret
- 8. Okt. 2021
- 1 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Nov. 2021
Eine Kurzgeschichte von:
Johannes Gruntz-Stoll, Erziehungswissenschaftler, Autor und Publizist
Bevor M. die Stadt verlässt, um sich auf eine dreimonatige Reise zu begeben, händigt sie mir den kleinen Schlüssel aus: «Damit kannst du alle Zimmertüren öffnen», sagt sie und fährt fort: «Und das sollst du auch; einzig die schmale Kammer neben der Kellertreppe…» Den Rest kenne ich, kennen viele: Auf die grosszügige Einladung folgt ein unverständliches Verbot, welches übertreten werden muss, damit die alte Geschichte schlussendlich neuen Sinn macht. M. verabschiedet sich also, und bereits am zweiten Tag ihrer Abwesenheit kann ich der Versuchung nicht widerstehen und öffne die Tür der schmalen Kammer neben der Kellertreppe. Der Raum ist von oben bis unten und scheinbar endlos weit nach hinten vollgestopft mit Schachteln und Mappen, in denen Hefte und Blätter liegen; neugierig öffne ich da ein Heft, betrachte dort ein Blatt und beginne zu lesen. Die Aufzeichnungen sind allesamt spannend, schlagen mich in ihren Bann, und als ich ein unscheinbares Heft ohne Titel zur Hand nehme, ist es um mich geschehen, denn ich lese in wohltuend weichen Schriftzeichen eine Geschichte, von der ich gleich gefangen bin und nicht mehr loskomme; sie beginnt mit den Worten: Bevor M. die Stadt verlässt, um sich auf eine dreimonatige Reise zu begeben, händigt sie mir den kleinen Schlüssel aus…
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